Dumm gelaufem?

 

 

Ich habe meinen allerersten Bogenbaukurs vor acht Jahren besucht. Es war ein Zweitageskurs und ich habe einen Robinienflachbogen gebaut. Der Bogen ist nicht gut gelungen, hatte sofort eine ausgeprägte Schwachstelle und daher starke Stauchrisse am Bogenbauch.

 

 

 

Objektiv betrachtet bin ich also mit meinem Ziel, einen gut funktionierenden Holzbogen zu bauen, gescheitert.

 

 

 

Ich beschäftige mich gedanklich immer wieder mit dem Thema: Wie soll ich mit einem mißglückten Bogen in meinen Kursen umgehen? Mißglückt heißt nicht in jedem Fall gebrochen, manchmal ist der Bogen schief, hat keinen schönen Tiller oder ist optisch "originell". Das kommt jetzt zwar nicht so oft vor, trotzdem frage ich mich danach immer, was ich denn besser hätte machen können.

 

 

 

Die Schuldfrage lang und breit zu erörten halte ich für sinnlos. Ich versuche immer mein Bestes zu geben, die Kursteilnehmer sind in der Regel voll motiviert, und ich versuche das beste Material und die besten Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Trotzdem kann etwas schiefgehen. Siehe Murphys Gesetz.

 

 

 

Mir ist es wichtig zu analysieren, wo der Fehler passiert ist um fürs nächste Mal besser vorbereitet zu sein oder etwas im Kurs zu verändern. Unklare Anweisungen von mir, falsche Annahmen meinerseits oder des Kursteilnehmers, Unachtsamkeit oder auch Materialfehler sind nur einige der möglichen Ursachen.

 

 

 

Das ist also meine Seite der Gleichung, wichtiger ist aber eure Situation. Und da hängt es davon ab, warum jemand zu mir kommt!

 

 

 

Meiner Meinung nach gibt es drei Hauptmotivationen für den Besuch eines Kurses bei mir:

 

 

 

Die erste Gruppe will lernen, einen Holzbogen zu bauen. Das klingt jetzt zwar nach einer Eh kloar Aussage, diesen Leuten geht es aber im Grunde darum, den Prozess des Bogenbauens so gut wie möglich zu verstehen. Der fertige Bogen ist dabei gar nicht so wichtig, sie sehen den Kurs nur als ersten Schritt auf einem Weg, der mit vielen weiteren Bögen gepflaster sein wird, Erfolgen und Misserfolgen. Da kann ich guten Gewissens sagen: Das ist jetzt zwar dumm gelaufen aber du hast dabei richtig viel gelernt, mehr als bei einem problemlosen Bauprozess. Ein Bogenbauer, dem noch nie ein Bogen gebrochen ist, hat sich noch nie an die Grenzen des Möglichen herangetastet und dessen Bogen schöpfen ihr Potentiel nicht aus. Mir sind 2018 nach kurzem Nachdenken mindestens drei Bogen gebrochen, bei allen Fällen weiß ich warum – bei jedem Bruch hab ich was Neues gelernt oder eine Lektion wurde vertieft.........

 

 

 

Für die zweite Gruppe ist der Bogenbaukurs ein Event. Meistens in einer Gruppe wollen sie sich einen schönen Tag bei mir machen und Zeit mit lieben Menschen verbringen. Da bringt so ein mißglückter Bogen natürlich einen ziemlichen Missklang in ihr Erlebnis und meine tröstenden Worte sind nur ein schwacher Trost. Ganz besonders wenn die anderen aus der Gruppe mehr Erfolg hatten. Dabei hat es oft wenig mit handwerklichem Geschick oder Ehrgeiz zu tun, wie gut der Bogen gelingt. Beim ersten Mal ist immer auch mehr als ein Quentchen Glück dabei.

 

 

 

Der dritten Gruppe geht es um das Produkt Bogen, sie wollen einen Holzbogen zum Schießen am Parcours oder zum an die Wand hängen und stolz präsentieren. Da kann ich nur auf die Schwierigkeiten beim Bogenbauen hinweisen um den Schmerz etwas zu lindern, denn Bogenbauen verzeiht keine Fehler.

 

 

 

Für alle KursteilnehmerInnen gilt: Wessen Bogen in einem Kurs oder kurz danach bricht, kann den selben Kurs kostenlos noch einmal besuchen, es ist nur der neuerliche Materialwert zu bezahlen.

 

 

 

Ich scheue mich davor, auf meiner Homepage eine "Erfolgsgarantie" mit genau diesem Inhalt anzubieten, aus zwei Gründen. Erstens könnte es dazu führen, dass sich manche Kursteilnehmer nicht mehr mit ganzer Kraft anstrengen (weil es eh nicht so tragisch ist) und zweitens fehlt dann auch die Spannung im Kurs. Erst die Möglichkeit des Scheiterns macht das Salz in der Suppe aus. Ist es nicht so: was mir unverdient in den Schoß fällt, hat nicht den selben Wert wie etwas hart Errungenes.

 

 

 

 

 

Nochmal zurück zu meinem gescheiterten ersten Bogenbauversuch vor acht Jahren. Es hat mich gewaltig gewurmt, im Gegensatz zu den anderen Kursteilnehmern kein Prachtstück in Händen zu halten. Deshalb habe ich sofort fünf andere Bogenrohlinge aus dem Fundus des Bogenbauers gekauft und zuhause angekommen, hatte ich nach ein paar Tagen schon den nächsten Holzbogen in Händen.

 

 

 

Seitdem habe ich nicht aufgehört, Holzbogen zu bauen und die daraus entstandene Leidenschaft hat mein Leben verändert. Hätte ich bei einem geglücktem Erstversuch ebenso reagiert?

 

 

 

Ich weiß es ehrlich nicht.

 

 

 

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